Die gegenwärtigen Verhältnisse in unserer mobilen Gesellschaft lassen sich vereinfacht so beschreiben: Wer sich ein Auto leisten kann, ist stets und überall mobil. Der Staat hält ein dichtes Straßennetz selbst auf gering nachgefragten Verbindungen vor, unterstützt Autobesitz und -nutzung mit vielfältigen Leistungen und Steuervergünstigungen. Von dieser "freien Fahrt für freie Bürger" ausgeschlossen sind Menschen mit geringem Einkommen. Hierzu gehören Arbeitnehmer mit unterdurchschnittlichem Einkommen (Geringverdiener) sowie Arbeitssuchende. Ebenso Rentner in Deutschland mit einem Nettoeinkommen unter 1.250 € (42,3% der Rentenempfänger in 2022, Quelle Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes). Der Paritätische Gesamtverband gibt in seinem Bericht 2024 "Armut in der Inflation" an, "16,8% der Menschen in Deutschland - oder 14,2 Millionen Menschen - müssen für das Jahr 2022 als einkommensarm bezeichnet werden" (s. S. 3 Armutsbericht 2024). Dem Bericht nach liegt die Armutsquote in der Region Rheinhessen-Nahe mit 18,9% sogar höher als im Bundesdurchschnitt (a.a.O. S. 17). Rund 1,6 Mio. Menschen geben zudem gesundheitliche Gründe für den Nicht-Besitz eines Pkw an (Quelle Mid 2018). Wer sich kein Auto leisten kann oder will, findet ein wesentlich schlechteres Infrastruktur- und Fahrplan-Angebot vor und ist infolge gravierender Mängel auf Geh- und Radwegen, den oft mit Umwegen verbundenen Streckenverbindungen, langen Wartezeiten vor Ampeln, zeitlichen Einschränkungen im Fahrplanangebot und großen Sicherheitsmängeln gegenüber den Rahmenbedingungen für den Autoverkehr klar benachteiligt.
Ein wesentliches Leitziel der Verkehrsplanung sollte "Mobilität für Alle" sein, und das konsequente Handeln, die Teilhabe möglichst aller Menschen an einer angemessenen Mobilität zu verbessern. Wie in unseren Nachbarländern Belgien, Holland und der Schweiz ist die Grundmobilität sicherzustellen und die "Daseinsvorsorge" gesetzlich zu definieren (Mindesttakt- und Angebot im ÖPNV, gesetzliche Gleichstellung für Fuß- und Rad in den Straßengesetzen). Die Mobilität sozialer machen, auf die demografische Entwicklung der Gesellschaft eingehen, bedeutet, vor allem die Mängel der Infrastruktur für den Fußgänger- und Radverkehr sowie den ÖPNV zu beseitigen:
Den Verkehr sozialer machen heißt auch, das Verursacherprinzip in den Haushalten von Stadt, Land und Bund anzuwenden. Auch in Mainz sollten die kommunalen Defizite, die durch den Autoverkehr jährlich entstehen, verringert werden. Allein der Abbruch einer Hochbrücke wird mehr als 20 Mio. € binden. Hinzu kommen jährliche Ausgaben für Instandsetzung und Unterhaltung des Straßennetzes und Mehrausgaben bei der Straßenreinigung. Sowie die bisher nichterhobenen und damit im städtischen Haushalt fehlenden Einnahmen, die durch kostenloses Abstellen privater Pkw im öffentlichen Straßenraum entstehen. Im Sinne des Verursacherprinzips sollten Parkgebührten flächendeckend erhoben werden (Einnahmepotential 10 Mio. €/a bei mittleren Gebühren von 20€/Monat und Stellplatz). Die Grundstückswerte sollten eine entsprechende markgerechte Rendite erzielen, da sie in erster Linie privaten Zwecken dienen.
Die Maßnahmenfelder für eine soziale Mobilität sind vielfältig. Wir haben sie in diesem Tool jeweils bei den einzelnen Verkehrsarten abgebildet (z.B. Ausbau Tram beim ÖPNV, Parkraumbewirtschaftung beim Autoverkehr). Um Doppelungen zu vermeiden sind daher in diesem Abschnitt keine Maßnahmen aufgeführt.