Durch die komplexe Historie ist es nicht ganz einfach, sich eine komplette Übersicht über alle laufenden Maßnahmen der Stadt Aachen zu machen. Im deutschlandweiten Vergleich sind die Ambitionen der Stadt Aachen als positiv hervorzuheben. Allerdings ist derzeit auf dem Weg vom Klimaneutralitätsbeschluss über das Gutachten, das darauf basierende Handlungsprogramm und schließlich die konkreten Beschlüsse zur Finanzierung und Umsetzung einzelner Maßnahmen eine schrittweise Rücknahme der Ambitionen zu beobachten.
Ein Klima-Aktionsplan (auch KAP / Klimaschutzkonzept / integriertes Klimaschutzkonzept) ist ein von einer Kommune beschlossener Plan/Konzept, in dem beispielhaft oder auch in mehreren Szenarien festgelegt ist, wie die Kommune bis 2035/20XX klimaneutral wird.
Im ersten Teil des KAPs wird bilanziert: Wieviel Treibhausgase emittiert die Kommune derzeit?
Im zweiten Teil des KAPs werden Maßnahmen aufgelistet, mit denen die Kommune klimaneutral werden kann. Dabei ist nicht nur Emissionsreduktion sondern die Erreichung der Klimaneutralität in allen Bereichen der Kommune von Bedeutung.
Aktuell gültig ist das 2020 beschlossene Integrierte Klimaschutzkonzept (IKSK). Im Jahr 2023 wurde durch die Firma Gertec ein Gutachten vorgestellt, das eine zweite Version des IKSK vorbereitet. Im Sommer 2024 wurde ein Handlungsprogramm verabschiedet, das einen Teil der im Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmen enthält und finanzwirksam im Haushalt 2025 festgeschrieben ist. Es wird unter dem Namen IKSK 2.0 beschrieben. Der Klimaentscheid Aachen pocht jedoch auf die ursprünglichen Beschlüsse, die die vollständige Umsetzung des Gutachtens als IKSK 2.0 beschrieben.
Im Folgenden wird insbesondere das Handlungsprogramm bewertet, da es der aktuellste und verbindlichste Plan ist, der uns zur Verfügung steht.
Die Jahreszahl (2035/20XX…) definiert, bis wann die Kommune – möglichst ohne Kompensation – klimaneutral werden will.
Das bedeutet, dass allen Maßnahmen nachweisliche THG-Einsparmengen zugerechnet werden müssen, um dann als Ergebnis nachzuweisen, dass mit den geplanten Maßnahmen alle bilanzierten kommunalen THG-Emissionen eingespart werden.
Die Stadt Aachen kommuniziert in allen relevanten Dokumenten als auch öffentlich wirksam das Jahr 2030 als Ziel für Klimaneutralität. Aachen wurde zudem von der EU im Projekt "100 klimaneutrale Städte bis 2030" ausgewählt.
Das Restbudget beschreibt das globale Kontingent an Treibhausgasen (THG), das für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zukünftig noch emittiert werden kann. Dieses THG-Kontingent kann auf einzelne Nationen und wiederum auf Kommunen heruntergebrochen werden. Jede Kommune hat somit ein „persönliches kommunales Restbudget“, das sie für die Einhaltung des Pariser 1,5 Grad Zieles nicht überschreiten darf.
Jein. Im IKSK 1.0 fehlt eine solche Berechnung. Im Gutachten von 2023 ist eine Restbudget Betrachtung enthalten, allerdings fehlt derzeit ein bis 2030 verbindlicher Aktionsplan. Im Handlungsprogramm findet sich folgende Passage: " In Summe sparen die Maßnahmen mindestens 106.000 t CO2eq jährlich ein." (S. 3, Vorlage - FB 36/0389/WP18, 08.05.2024)
Fast alle Kommunen führen ihre Treibhausgasbilanz mit BISKO (Bilanzierungs-Systematik Kommunal) durch. In dieser Systematik wird nur ein Teil der Industrie bilanziert, die Sektoren Abfall, Landwirtschaft und LULUCF fehlen völlig.
Die Klimavision von LocalZero bilanziert die Sektoren Strom, Wärme, Verkehr, Industrie, Gebäude, Abfall, Landwirtschaft, LULUCF (Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft).
Wenn die Kommune mit BISKO bilanziert ist es wichtig daraufhinzuweisen, dass die Bilanzierung ergänzt werden muss und vor allem in den fehlenden Sektoren trotzdem Maßnahmen entwickelt werden sollten.
Bislang fehlen die Sektoren Abfall, Landwirtschaft und LULUCF im aktuellen Handlungsprogramm, auch wenn diese im Gutachten von 2023 angesprochen werden. Hier bleibt abzuwarten, ob dies im weiteren Verlauf ergänzt. Die Stadt nimmt sich vor dynamisch Maßnahmen zu ergänzen. Die Bilanzierung kommunaler THG Emissionen ist komplex und Aachen bietet bereits eine verhältnissmäßig umfangreiche Dokumentation. Zudem soll der Fokus auf Maßnahmen gelegt werden, die eine große CO2 Einsparung versprechen.
Das Szenario soll zeigen wie die Kommune unter realistischen Bedinungen (politischer Entwicklung, Dauer der Maßnahmen etc.) ihre Emissionen auf Netto-Null reduzieren kann, oder wie weit eine Reduktion realistisch aber ambitioniert möglich ist.
Oft ist im KAP ein weiteres Szenario mit einem anderen Zieljahr hinterlegt zum Bsp. 2040 oder 2045
Jein, das aktuelle Handlungsprogramm nicht, das Gutachten von 2023 enthält verschiedene Szenarieen. Hier fehlt ein Ratsbeschluss solcher Szenarieen um die Verbindlichkeit zu gewährleisten.
Ein Trendszenario zeigt auf, wie sich die kommunalen Emissionen entwickeln, wenn die Kommune keine Maßnahmen in Richtung Klimaneutralität ergreift, also „business as usual“ betreibt. In diesem Fall können sich die kommunalen Emissionen trotzdem verändern, da bundespolitische Maßnahmen Einfluss auf kommunale Emissionen haben (Bsp: veränderter Bundesdeutscher Strommix).
Jein, das aktuelle Handlungsprogramm nicht, ein Trendszenario ist ebenfalls "nur" im Gutachten enthalten. Hier fehlt ein Ratsbeschluss solcher Szenarieen um die Verbindlichkeit zu gewährleisten.
Die jährlichen Kosten für Maßnahmen, sowie Kosten für den Personalbedarf für die Umsetzung der Maßnahmen, machen den Aufwand einschätzbar und liefern Sicherheit für die Planung der Umsetzung.
Sind keine Kosten und keine Personalstellen hinterlegt sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Politik diese Maßnahme schnell freigibt. Denn die Kosten und der nötige Personalumfang muss erst ermittelt werden.
Gerade im aktuellen Handlungsprogramm sind die jährlichen Kosten ausgewiesen.
Eine genaue Planung der Maßnahmen ist eine Grundvoraussetzung, um den Erfolg/Fortschritt der Umsetzung des Klima-Aktionsplans zu messen. Optimal ist ein Ablaufplan, in dem die Reihenfolge und die zeitliche Überschneidung aller Maßnahmen genau aufgeschlüsselt ist.
Mit einem solchen Ablaufplan kann die Kommune die Reduktion der THG-Emissionen für jedes kommende Jahr prognostizieren und so nachweisen, dass sie das 1,5 Grad Ziel einhält.
Wichtig ist natürlich, dass zuerst die großen Emittenden auf Klimaneutralität umgestellt werden und danach bei den kleinen Emissionsquellen Maßnahmen ergriffen werden.
Eine jahresscharfe Planung, gar in einer übersichtlichen Form darstellt, existierst unseres Wissens nach derzeit nicht. Zwar sind die Maßnahmen-Steckbriefe im Gutachten von '23 sehr ausführlich, dies findet sich jedoch nicht in den aktuellen Maßnahmen im Handlungsprogramm wieder.
Ohne klar verteilte Verantwortlichkeiten können Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Die Verantwortlichen können sowohl in der Kommunalverwaltung (z.B. Abteilungen) oder außerhalb (z.B. Stadtwerke) sein. Bei jeder vorgeschlagenen Maßnahme sollte die zuständige Fachabteilung, die kommunale Tochter oder sogar die zuständige Sachbearbeitung genannt werden.
Verantwortliche Fachbereiche sind für jede Maßnahme hinterlegt.
Aus dem genauen Zeitplan der Maßnahmenplanung kann ab jetzt bis zum Jahr der Klimaneutralität (2035/20XX) die THG-Emissionen und der Endenergiebedarf jährlich prognostiziert werden in allen Sektoren. Wird z.B. ein Braunkohlewerk im Jahr X geschlossen, sinken die Emissionen um Y. Dadurch wird der Weg zur Treibhausgasneutralität klar erkennbar und zu kompensierende Emissionen sichtbar.
Jein. Zwar wird eine jährliche Reduktion der kommunalen Maßnahmen abgegeben. Dies gilt jedoch nur für die Maßnahmen der Stadt und vernachlässigt die weitere Stadtgesellschaft, die im Rahmen des EU-Projekts über den "Stadtvertrag" zur Klimaneutraltität bis 2030 verpflichtet. Dies gilt in etwa für die RWTH Aachen.
Alle Akteur:innen in einer Kommune sollten bei der Erstellung/Umsetzung eines KAPs beteiligt werden. Unterschiedliche Akteur:innen der Kommune sind: Bürger:innen (z.B. LocalZero-Teams), Verwaltung der Kommune, höchste politische Gremien der Kommune, Stakeholder:innen in der Kommune (z.B. kommunale Unternehmen oder Vereine).
Im Rahmen des EU-Projekts "100 klimaneutrale Städte bis 2030" wurde ein Stadtvertrag aufgesetzt, der von vielen Akteuren gegengezeichnet wurde. Dies hat zwar keine bindende Wirkung, sendet jedoch ein klares Signal in die Stadtgemeinschaft.